3. bayerisches Landwehr-Infanterie-Regiment

Die amtlichen Gefechtsbezeichnungen

Gefecht in den Vogesen:

15.08.1914 Passhöhe Deutsch Rumbach und St. Kreuz
18.08.1914 Gereuth

Gefechte im Kaysersbergtal: 1914

01.09.1914 Drei Ähren
02.09.1914 Zell
04.09.1914 Urbeis
05.09.1914 Urbeis und Machielles
05. – 11.09.1914 LavelineLacroix

Schlacht von Nancy – Epinal:

09.09.1914 Roßberg

Stellungskampf im Oberelsass vom 12.09.1914 bis 11.11.1918

Während dieser Zeit:

14.09. bis 01.10.1914 bei Merelles
22.09.1914 Höhe bei Lait
04.10. bis 30.11.1914 am Eichenrain
Grenzkamm bei Karkirch
02. und 03.11.1914 Bernhardstein
02. und 03.12.1914 Kämpfe am Buchenkopf
06. – 21.12.1914 Kämpfe am Buchenrain
24.12.1914 Kämpfe am Buchenrain
01.01.1915 Kämpfe am Buchenrain
26.12. bis 05.02.1915 Höhe bei Lait
06. – 20.02.1915 Kämpfe am Buchenrain

1. Schlacht bei Münster
19.02.1915 Kleiner Hörnleskopf
20.02.1915 Kleinkopf
21.02.1915 Eichwald
22.02.1915 Katzensteine
01.03.1915 Schlierbach
06.03.1915 Stoßweiher und Reichackerkopf
12.03.1915 Stoßweiher
20.03.1915 Reichackerkopf
28. – 31.03.1915 bei Metzeral

Kämpfe im Kaysersbergertal: 1915
16.04.1915 Creux d‘ Argent -Beu
01. – 26.05.1915 am Buchenkopf
23.06. – 13.07.1915 am Buchenkopf
18. – 21.06.1915 Gefechte am Hilsenfirst

2. Schlacht um Münster:
20./22.07.1915 am Lingekopf und Schratzmännele
Stellungskampf im Oberelsass

Rückmarsch in die Heimat 13.11 bis 07.12.1918


Inhaltsverzeichnis

I. Mobilmachung

Das bayerische Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 3 wurde planmäßig von der 3. bayerischen Infanterie-Brigade aufgestellt und zwar Stab, I. und II. Bataillon von Ersatzbataillon 3. bayerisches Infanterie-Regiment Prinz Karl in Augsburg, III. Bataillon von Ersatzbataillon 20. bayerisches Infanterie-Regiment Prinz Franz in Landau im Breisgau. Die beiden aktiven Regimenter hatten bereits am ersten Mobilmachungstag, am Sonntag, den 02.08. abends ihre Standorte verlassen, um als Grenzschutz zu wirken.

Das I. Bataillon brachte seine Landwehrmänner, die am fünften und sechsten Mobilmachungstag in Augsburg eingerückt waren, in der höheren Töchterschule, das II. Bataillon in der St. Annaschule und Baugewerkschule unter, während das III. Bataillon in der Umgebung von Lindau Bürgerquartier hatte.

Major von Hößlin, Kommandeur des I. Bataillons und Oberstleutnant z. D. Flessa, Kommandeur des III. Bataillons, übernahmen sofort ihre Bataillone, während Major z. D. Schmidt, genannte Waldschmidt, erst am Tag vor dem Abmarsch einrücken konnte, da er bis dahin anderweitig dienstlich verwendet war. Selbstverständlich wirkte diese Abwesenheit zu der noch die Erkrankung des Adjutanten trat, auf den Gang der Mobilmachung ein, die sich beim I. und III. Bataillon glatter vollzog und am Schlusse geschlossenere Bataillone zeigte, als dies beim II. Bataillon der Fall sein konnte.

Die erste Offiziereinteilung ist aus der Anlage 4 zu ersehen.

Zu Augsburg machte auch der Stab der verstärkten 2. bayerischen Landwehr-Brigade mobil; Kommandeur: Generalmajor z. D. von Lachmair; Adjutanten; Hauptmann Geßner, Oberleutnant Kieffer.

Das Schwesterregiment der Brigade, das Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 12, wurde in Ulm mobil, Kommandeur war Oberstleutnant Freiherr von Boutteville. Außerdem gehörten zur Brigade die 2. Landwehr-Eskadron I. bayerisches Armee-Korps, die 2. Landsturm-Batterie I. bayerisches Armee-Korps und die 2. Landsturm-Pionier-Kompanie I. bayerisches Armee-Korps.

Die Mannschaften des Regiments gehörten hauptsächlich den Jahresklassen 03 und 02, somit den jüngsten Jahresklassen der Landwehr II an; sie hatten zum größten Teil ihre letzte militärische Übung längst hinter sich und standen in der Mitte der Dreißiger. Es muss dies ausdrücklich hervorgehoben werden, weil das Regiment vom 01.09.1914 bis zum letzten Kriegstag im Gebirge stand und ihm damit Leistungen aufgebürdet wurden, die auch jüngere Schultern geziert hätten. Es waren Leistungen, für die es keine Friedensvorbereitung gegeben hatte; auch die Führer aller Dienstgrade und Dienststellungen traten in den Bergen etwas Neuem gegenüber, für das die Friedensschule fehlte und dessen man sich nur langsam bewusst wurde.

Während der Mobilmachung war die Unterstützung der Bevölkerung vorbildlich; denn es war nicht einfach, die Bestände aus den Kammern in der Kaserne nach den Unterkunftsräumen zu schaffen. Kaum gedacht war schon ein Handwagen zur Stelle, Schuljungen legten ihre Schulfreiheit damit an, Laufburschen zu machen und zu helfen, wo es nur immer ging.

Es gab aber auch Schattenseiten. Eine ungeheure Aufregung hatte sich vom ersten Tag an in breiten Schichten fühlbar gemacht. Viele glaubten einen Spionagefang machen zu müssen. Selbst die Uniform schützte nicht, so wurde z. B. der Kommandant des Lagers Lechfeld, der dienstlich nach Augsburg berufen war, auf seiner Heimkehr im Kraftwagen angehalten und nicht durchgelassen. Die Millionen schwerer Goldbarren, die auf der Fahrt nach Russland sein sollten, wie damals die Märe ging, wollte gern jeder abfangen. Und an einem schwülen Sommerabend, als alles in Bierhäusern und Gärten Erquickung suchte, prasselte es auf einmal über die Häuserdächer: ein feindlicher Flieger sollte gesichtet worden sein, in Wirklichkeit war es eine fette Ente. Siege wurden verkündet, von Schlachten erzählt, die noch gar nicht geschlagen waren, Beileidkundgebungen ergingen an Frauen, die erst der spätere, wirkliche Krieg zu Witwen machte.

Den braven Landwehrmann focht das alles nicht an; er hatte genug mit sich selbst zu tun, um von neuem in sein militärisches Kleid und seinen feldgrauen Schmuck zu finden und tagsüber auf dem Exerzierplatz seine alten Kenntnisse vom Waffenhandwerk wieder aufzufrischen.

Der Mann führte das Gewehr 88. Über eine Maschinengewehr-Kompanie verfügte das Regiment nicht. Die Fahrzeuge waren vom Sanitätswagen angefangen alles sehr gut erhaltene alte Muster, die bereits im Frieden ihre Kriegsuntüchtigkeit glänzend dargetan hatten, denn sonst wäre man nicht zur Einführung zeitgemäßerer Wagen gekommen, aber bis zur Landwehr waren sie noch nicht durchgeschoben. Als Lebensmittelwagen waren Allgäuer Bauernwagen ausgehoben worden.

So eine Mobilmachung zeigt, dass guter Wille jedes Hindernis überwindet. Viele mussten Dienste übernehmen, von denen sie bisher keine Ahnung hatten. Aber es ging.

Am 10.08., am Tag vor dem Abmarsch, fand feierlich die Nagelung der Fahne des III. Bataillons auf dem Kasernenhof der Prinz Karl Kaserne statt. Von den schönen Worten und Sprüchen, die beim Einschlagen jedes Nagels fielen, hat sich, Gott seis geklagt, nichts erfüllt. Die Fahnen haben im neuzeitlichen Krieg, bei dem ein Scharen um sie dem sicheren Tod gleichkäme, den Charakter als Symbol für König und Vaterland im Kampfe verloren und mussten in Bälde in die Heimat zurückgebracht werden. Sie wurden dem Ersatzbataillon übergeben und befinden sich nunmehr im Armeemuseum in München.

II. Ausmarsch

Am Dienstag den 11.08. gegen 4 Uhr nachmittags rollte das I. Bataillon mit dem Regimentsstab westwärts mit unbekannter Bestimmung. Ein verschlossener Umschlag, der das Endziel enthielt, durfte erst während der Fahrt geöffnet werden. Vier Stunden später folgte das II. Bataillon.

Es waren heiße 26 Stunden, denn so lange dauerte die Fahrt. Zahlreich waren die Erfrischungshalte und freudig die Begrüßung durch die Frauen und Mädchen, die mit Riesentöpfen die Züge entlang eilten, um die leeren Becher mit Kaffee, Limonade u. dgl. zu füllen. Bier gab es vorsorglich nicht.

Bald hatte jeder Wehrmann mindestens drei Sträußchen, im Gewehr, am Helm und im Knopfloch stecken und ein Dutzend Postkarten geschrieben. Die Wagenwände wurden kreideweiß vor Aufschriften, manche wiederholten sich, manche gaben Zeugnis vom frischen Humor und vaterländischem Stolz.

In Donaueschingen (12.08.) ging das Gerücht, ein feindlicher Flieger habe während der Nacht eine Eisenbahnsprengung versucht, wahrscheinlich auch wieder etwas überhitzte Einbildung.

Herrlich war die Fahrt durch den Schwarzwald und als sich die Bahn ins Rheintal senkte, grüßte von fernher aus einem zarten Dunstschleier der Straßburger Münsterturm herüber.

Kenzingen! Alles aussteigen!

Rasch und glatt war alles entladen, während der Brigadebefehl vom Kommandeur selbst ausgegeben wurde.

Die Bataillone bezogen Unterkunft: I. in Malterdingen, II. und Regimentsstab in Heclingen. Das III. Bataillon war einstweilen noch dem Regimentsverband entrissen, da es an Stelle des Regiments den Brückenkopf bei Schönau zu besetzen hatte, Dieses Bataillon hatte bei seiner Abfahrt von Lindau noch Abschiedsworte und -grüße von Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Therese erhalten.

Hier ist es notwendig, das Regiment für einige Zeilen zu verlassen und zum Verständnis einen Blick auf die großen Verhältnisse und auf die im Elsass zu werfen.

Graf Schlieffen hat Deutschland auf seine Aufgabe, einen Zweifrontenkrieg führen zu müssen, militärisch vorbereitet; er hinterließ als Vermächtnis den Plan, gegen Russland sich anfänglich nur zu verteidigen, im Elsass die Verteidigung an die Rheinlinie zu verlegen, diese beiden Verteidigungen mit den sparsamsten Kräften zu führen, dafür aber mit ganzer Wucht durch Nordfrankreich auf Paris vorzustoßen. Ist dieser Stoß geführt, dann soll es auch am Rhein lebendig werden und hier deutsche Scharen den Franzmännern die Vogesen entreißen. Damit diese Vorwärtsbewegung seiner Zeit nicht aufgehalten werde, wurden am Rhein Brückenköpfe eingebaut. Die Schlacht von Mühlhausen (09.08.) mit ihrem unvollkommmenen Ausgang hat auch nicht in den großen Plan gepasst. Kurz an einer klaren, absichtsvollen Kriegsführung trat im Vogesenabschnitt eine ununterbrochene Reihe von Aushilfen ein, die nicht aus einem Geist geboren waren, weil der bestimmte Oberbefehl mangelte. An einem Tag gab es in den Vogesen drei Oberbefehlshaber nacheinander bis endlich das Kommando in die Hände des stellvertretenden Generalkommandeurs VIV. Armeekorps gelegt wurde. Erst mit der Übernahme des Befehls durch den General der Infanterie Gaede trat Bestimmtheit ein, die sich von dem Augenblick an steigerte, als General der Infanterie Gaede seiner Fessel in Karlsruhe ledig gesprochen und zum Führer der Armeeabteilung ernannt wurde.

Nach Vorausgesagtem wird manches Vor und Zurück, manche Verschiebung und mancher Durcheinander begreiflich und damit verzeihlich.

Die Ausgangslage für die Brigade war folgende:

3½ verstärkte Landwehrbrigaden, darunter die 1. und 2. bayerische (21 Bataillone, 5 Eskadronen, 10 Batterien mit 58 Geschützen, 2 Pionier-Kompanien) sollten die besagte Rheinverteidigung südlich Straßburg übernehmen. Der 2. bayerischen war die Brückenkopfstellung bei Schönau zugedacht. Seit dem ersten Mobilmachungstag arbeiteten Arbeiterbataillone an den Rheinstellungen. Gottlob sind wir am 14.08. nur durchmarschiert und kennen die Schützengräben und sonstigen Anlagen nur vom Ansehen und nicht vom Gebrauch. Den Umschwung hatte die Schlacht von Mühlhausen (09.08.) gebracht. Ihr Ausgang ließ den ursprünglichen Plan, ganz Elsass aufzugeben und nur den Rhein zu halten, abändern. So viel deutsches Land sollte nach diesem Waffenerfolg nicht mehr ohne Schwertstreich geräumt werden, statt den Rhein hieß es die Vogesen halten, an deren Pässe einzelne Jägerbataillone vorgeschoben waren, deren dünner Schleier aber stellenweise vom Feind zerrissen wurde. Ein solcher Riss entstand bei St. Kreuz, östlich Markirch. An diesem Punkt beginnt der blutige Krieg für das Regiment.

III. Leberau und Deutsch Rumbach

14. und 15.08.1914

Am 13.08. hatten nach Brigadebefehl die Bataillone um 10 Uhr vormittags in ihren Quertieren eingetroffen zu sein und zwar I. Bataillon mit Regimentsstab in Richtolsheim, II. Bataillon in Schwobsheim, III. Bataillon in Schönau.

Einzelne Kompanien des II. Bataillons hatten den Rhein auf einer schweren Schiffsbrücke bereits überschritten, als ein Generalstabsoffizier den Befehl des Generalkommandos XIV. Reserve-Korps, General der Artillerie von Schubert, des Inhalts überbrachte, dass das Regiment in die vorgesehenen Unterkünfte nicht einrücken könne. Was den Rhein bereits überschritten hatte, musste wieder zurück. Für das III. Bataillon blieb Schönau aufrecht erhalten, die beiden anderen belegten Weisweil, das sich als ein ganz gehöriges Schnakennest entpuppte. Hier in Weisweil wurden die schönen Aufschriften  am Hinterteil jedes ärarialischen Wagens wie: 3. Landwehr-Infanterie-Regiment, 1. Bataillon, 4. Kompanie, überpinselt und verklebt. Der militärische Ordnungssinn hat sie im Frieden erfunden, der erste Kriegstag ließ sie als verräterisch empfinden, weil sie den guten Freunden des Feindes die Aufgabe: „Feststellung der deutschen Truppenteile“ im Vorbeigehen erfüllen ließen

Am 14.08. hatte das Regiment mit seinen drei Bataillonen um 6 Uhr vormittags bei Sundhausen mit dem Anfang zu stehen. Kaum eingetroffen, kam der Befehl: die Brigade wird in das Lebertal nach St. Kreuz östlich Markirch mittels Bahn verschoben. Bei St. Kreuz war das Jägerbataillon 14 stark ins Gedränge gekommen, weshalb die Brigade zur Hilfe dorthin befohlen wurde.

Das Schwesterregiment (Landwehr-Infanterie-Regiment 12) wurde sofort in drei Zügen mit einstündiger Zugfolge abgeschickt, das 3. folgte ab 12 Uhr mittags in gleicher Weise. Die Pause bis dahin benützte ein Bataillon, das seine Helmüberzüge in Augsburg versehentlich nicht empfangen hatte, dazu, um Gefechtstoilette zu machen. Wappen und Helmspitze wurden heruntergenommen und der Helmkopf, um ihn jeden Glanzes zu berauben, mit Lehm bestrichen. Festlich war der Anblick nicht. Die Fahrt ging der Hohkönigsburg entgegen, über Schlettstadt ins Lebertal. In Leberau wurde ausgeladen und einquartiert. Die Lage vorn hatte sich anscheinend gebessert. Um 6 Uhr abends während der Befehlsausgabe beim Brigadekommandeur begann der Krieg. Ein Flieger überflog den Ort, das Luftschraubengeknatter reizte anscheinend den kriegerischen Sinn. So mancher riss sein Gewehr an die Backe und knallte auf den Flieger los. Dieser, ein Deutscher, hatte anscheinend den gesichertsten Platz, allea andere war gefährdet. Der Flieger war längst entronnen, dann fiel erst der letzte Schuss. Es gab manche Verletzte, denn einigen Fahrern, die eben abspannten, gingen ob der tollen Schießerei, die in der Ortschaft besonders krachte, die Pferde durch und rissen sie zu Boden. Ein Mann hatte bei dem Schießen nach dem Flugzeug einen Schuss in den Oberschenkel bekommen. Der erste Pulverdampf war gerochen und die erste Kriegsaufregung vorbei. Es gab noch manche ähnliche Nervenentgleisung bis endlich das kalte Blut die Oberhand gewann.

Mit einer ungestörten Nachtruhe, von der so mancher geträumt, wurde es in Leberau nichts. Kaum zog die Dämmerung herauf, gab es Alarm. Die große bagage hatte sich Richtung Schlettstadt in Marsch zu setzen und bis Bahnhof Wanzel zurückzurücken, die Battailone hatten sich gefechtsbereit zu halten und zwar II./L3 am Ausgang von Leberau nach St. Kreuz, I./L. 3 nahm Aufstellung bei Deutsch Rumbach, III./L. 3 am Ausgang von Leberau gegen Schlettstadt. So einfach, wie es hier steht, entwickelte sich die Sache nicht. Es gab stellenweise im engen Ort ein arges Durcheinander, mitten hinein fiel noch ein Schuss. Wahrscheinlich vom Fliegerschießen her hatte ein Wehrmann nicht gesichert. Die Dunkelheit senkte sich hernieder, fernes Schießen hallte ab und zu herüber, die Ungewissheit, in der jeder steckte, lieh der Einbildung Flügel. Jedes Licht der Umgebung wurde als eine Franzosenkolonne, jedes Licht im Ort als ein Lichtzeichen für den Feind gedeutet. Vorn am Ortsausgang wurde ein Bauer, der den Ruf des Postens nicht hörte oder nicht verstand, erschossen. Eine ahnungslo anrückende Bagage, die nicht wusste, dass hinter ihrer Abteilung eine zweite Linie gebildet worden war, entging knapp dem Untergang. Jeder war froh, als endlich der Tag (15.08.) anbrach. Bis Mittag änderte sich die Lage nicht. Eine kleine Entspannung hatte das Tageslicht gebracht. I./L. 3 hatte morgens den Befehl erhalten, auf die Passhöhe von Deutsch Rumbach vorzurücken. Dieser Befehl wurde bald widerrufen, in den Nachmittagsstunden aber neuerdings gegeben und von III./L. 3 ausgeführt. Am Nachmittag wurde II./L. 3 im Abschnitt der Jäger 12 eingesetzt, nachdem die Kräfte von Landwehr-Regiment 12 nur mehr schwer ausreichten, einen Druck des Feindes aufzuhalten. Auf bedrohliche Meldungen hin, dass der Franzose über Deutsch Rumbach durchzubrechen versuche, besetzte I./L. 3 hier seine Stellungen, die es seit Mittag inne hatte. Das Gefecht blieb aber nur auf die Gegend von St. Kreuz beschränkt und griff auf das Deutsch Rumbachtal nicht über.

II./Landwehr-Infanterie-Regiment 3 war bei St. Kreuz hart mit dem Feind zusammengeraten. Hier sei eine Bemerkung eingeflochten, die zur Entlastung besonders für die Zeit der ersten Kämpfe ausgesprochen werden muss. Die meisten Mannschaften hatten, wie gesagt, ihre letzte Übung längst hinter sich, der neue Geist unserer Vorschrift, der sich im Wort von der Leere des Schlachtfeldes zusammenfassen lässt, war ihnen noch sehr wenig gepredigt; sie fühlten sich am wohlsten und hielten sich am sichersten im dicken Schwarm. Gut, dass der Franzose so erbärmlich schoss, sonst wäre es ein Erntefest des Todes geworden. Die Linien ballten sich so zusammen, dass man aus den überschüssigen, die mit besten Willen keinen Platz fanden, eine zweite Linie bilden musste. Diese dicken Schwärme waren natürlich im Gebirge erst recht hinderlich und verhinderten manchen Erfolg. Gegen Mitternacht traf der Befehl ein: Die ganze Brigade, ausgenommen III./L. 3, das auf der Passhöhe nicht mehr zu erreichen war und daher auf eigene Faust handeln musste, geht nach Schlettstadt zurück. Das vorderste Bataillon wird um 2 Uhr nachts den Südausgang von Leberau überschreiten. Beim nächtlichen Loslösen vom Feind hat sich der Bataillonsadjutant, Leutnant Holl, besonders hervorgetan. Sein tapferes Eingreifen führte manchen abgekommenen Zug und die Munitionswagen der Bataillone auf den richtigen Weg, sonst wären sie den Franzosen in die Hände gefallen.

Mangelnde Ruhe während zweier Nächte, Gefecht, schlechte Verpflegung hatte den Kräften der Leute stark zugesetzt. Mancher glaubte nicht mehr weiter zu können und musste von einigen Reitern, die den Schluss machten und beauftragt waren, niemand zurückbleiben zu lassen, aufgestöbert werden. Schwer beladen mit Tornistern und vor sich eine ziemliche Zahl ganz Erschöpfter, wurde in ein paar Eisenbahnwagen verladen und fuhr nach Schlettstadt zurück.

Bei Kestenholz konnte daran gedacht werden, die Verbände wieder zu ordnen. Bevor dies notdürftig gelang, kam der Befehl, eine Stellung quer über die Straße und Tal zu beziehen, um einem Vordringen des Feindes Halt zu gebieten. Vom Feind zeigte sich nichts.

Nach Ablauf einiger Stunden kam die Unterkunftszuweisung. Kaum waren die Bataillone dahin in Marsch gesetzt, als der neue Befehl eintraf: Landwehr-Regiment 3 übernimmt die Sicherung von Schlettstadt. Dort konnte daran gedacht werden, die ersten Kriegsschrecken körperlich und seelisch zu überwinden. Starke Nerven sind die beste Kriegswaffe.

In Schlettstadt stieß am 17.08. III./L. 3 wieder zum Regiment. Auf der Passhöhe von Deutsch Rumbach hatte es feindliche Streifen abzuwehren und dabei einige Verluste erlitten.

IV. Gereuth

(18.08.1914)

Der Tag Ruhe tat der Truppe wohl. Nach dem auflösenden Hin und Her der letzten Tage kehrte wieder Zusammenhalt ein. Gar mancher hat in der schönen St. Fideskirche zu Schlettstadt seinem Gott gedankt, dass er ihn bisher gnädiglich bewahrt hat. Schade, dass sich der Pfarrer auf seinem Türschild in der urdeutschen Stadt als Abbé bezeichnet hat.

Am 18.08. morgens trat schon wieder Leben ein. Um 12 Uhr nachmittags bekam III./L. 3 den befehl, über Kestenholz zur alten Schanze zu marschieren und gegen Thannweiler zu sichern. Auf dem Marsch dahin kam das Bataillon unerwartet in den Besitz von sechs Fahrrädern. Die Schlettstadter Jugend wollte Schlachtenbummler machen. Als sie aber über das Bataillon hinausfahren wollte, Richtung feindwärts, wurde sie unberitten gemacht. Der Akt „Fahrrärder von Schlettstadt“ hat lange gelebt, bis die Fahrräder etatsmäßig wurden. III./L. 3 nahm Aufstellung bei der alten Schanze und stand links in enger Fühlung mit L. 12.

Um 4 Uhr nachmittags gab der Brigade-Kommandeur in Scherweiler folgende Lage bekannt: die 30. Reserve Division liegt im schweren Kampf in Linie Weiler – Triembach und südlich. Der Angriff der Division wird von feindlicher Artillerie flankiert, die in den Waldungen südlich Gereuth steht. Die Division hofft auf die versprochene Unterstützung der 2. Landwehr Brigade. Brigdebefehl: III./L. 3, Oberstleutnant Flessa, und I./L. 12, Major Srehlin, nehmen die Artillerie weg. Gefechtsleitung: Oberstleutnant Jordan, der III./L. 3 ansetzt. I./L. 12 weist der Brigadekommandeur derart ein, dass es nach Überschreiten des Leberbachs durch den Weilerforst vorstößt. Die beiden Bataillone haben sich auf den Höhen südlich gereuth zu vereinigen.

II./L. 3 wird als Reserve auf der Straße Kestenholz – Gereuth herangezogen.

Von Gefechtslärm hatte man bisher fast gar nichts gehört, er war in dem hügeligen Gelände von den dichten Waldungen und wohl auch vom Gegenwind verschluckt worden.

III./L. 3 zieht sich nach Forsthaus Brischbach, entwickelt sich nach der linken Flanke, linker Flügel am Forsthaus und geht sodann Richtungskompanie: Richtung der feindliche Geschützrauch über dem Wald zum Angriff vor. Das Bataillon war vier Kompanien stark, an Stelle der fehlenden 11. Kompanie, die zur Bewachung des Brückenkopfes bei Schönau hatte zurückbleiben müssen, war die 8. Kompanie zugewiesen worden; erste Gefechtslinie 12., 10, 8., Reservekompanie 9. Die Verbindung mit der 30. Reserve Division wurde aufzunehmen versucht, es konnte aber nur deren linker Flügel bei Sägmühle festgestellt werden.

Die dichten Schützenlinien konnten den Giesenbach flüssig überschreiten, das erwartete Feuer vom jenseitigen Waldrand, wo man die feindliche Artilleriebedeckung vermutete, blieb aus. Erst als die Schützen ziemlich tief in den Wald eingedrungen waren, kam es zu einem heftigen Feuergefecht und häufigen Hurras. Die feindliche Artillerie war überrascht worden. Sie hatte nur die Reservekompanie, die 9., erkannt und mit einigen Schüssen bedacht, hatte sodann noch weiter nach rechts geschwenkt, um II./L. 3, das auf der Kestenholzerstraße herankam, aufzuhalten, dann war es um sie geschehen. III./L. 3 und I./L. 3 vereinigten sich bei den Geschützen, so dass später keinem Bataillon der Ruhm zugesprochen werden konnte, der alleinige Eroberer gewesen zu sein. Das Eroberungsgeld kam daher beiden Bataillonen zu gleichen Teilen zu gut, aber gesehen hat später niemand mehr etwas davon.

II./L. 3 sah seinen Kommandeur durch Verwundung ausscheiden und hatte sich dann gleichfalls in den Waldkampf gestürzt. Drei Bataillone waren zu viel. Der große Durcheinander, der dadurch entstand, erleichterte nur den Gegner seine Aufgabe, unter Hinterlassung seiner zahlreichen Toten in den ihm bekannten Waldungen zu verschwinden. Nur ungefähr 100 Gefangene wurden zurückgebracht. Das Ordnen der Verbände geschah an der Kestenholz – Gereutherstraße. Gegen Rückschläge wurde begonnen, sich längs der Straße einzugraben, als der Befehl kam, Richtung Kestenholz abzurücken. Hier muss gleich die Geschichte mit den Geschützen zu Ende gebracht werden. Ursprünglich sollen es 6 gewesen sein, das halte ich für übertrieben, denn die französische Batterie kennt nur vier Geschütze. Von einem verlässigen Zeugen wurde nach Einbruch der Dunkelheit zwei festgestellt. Am anderen Morgen war aber nur ein Geschütz vorhanden. Am frühen Morgen kam ein Ochsengespann, holte ein Geschütz von den zweien und brachte damit einer Abteilung eine unblutige Eroberung. Ob sich das Ochsengespann nicht auch der zwei anderen Geschütze der Batterie erbarmt hat, ist nicht ans Tageslicht gekommen. Ich halte dafür, dass die Batterie an der Straße Gereuth – Wanzel gestaffelt aufgestellt war, es sich also um vier Geschütze handelte. Es war die 4. Batterie des 54. französischen Artillerie-Regiments, die gekämpft hatte. Das Geschütz Nr. 3 war es, das sich die Landwehr-Brigade als ihre Beute sichern konnte.

Auch der Gefangenen ist kurz zu gedenken; sie waren froh, gefangen zu sein; es war eine ganz unmilitärische Bande, die an gar nichts anderes dachte, als eine Zigarette zu erhaschen. In den nächsten Waldungen bei der Dunkelheit zu verschwinden, dieser Gedanke lag ihnen meilenfern. Sie sind später in Schlettstadt vernommen worden, ich habe nichts weiter mehr darüber gehört. Durchgebildete Soldaten waren es sicher nicht.

II./L. 3 und III./L. 3 rückten nach Scherweiler in Unterkunft. I./L. 3 übernahm bei Kestenholz die Sicherung. Scherweiler hat eine blutige Vergangenheit. 1525, in den Bauernkriegen, wurde hier eine elsässischer Bauernhaufen von ungefähr 10.000 Mann fast vollständig niedergemacht.

Das Gefecht von Gereuth hat dem Regiment gekostet: Leutnant Reinhard tot, Major Schmidt, genannt Waldschmidt, Leutnant Blümm verwundet, Offiziersstellvertreter Magel verwundet, Unteroffiziere und Mannschaften zwei tot, 29 verwundet, 7 vermisst. Die Unterkunft von I./L. 3 in Kestenholz hatte ein Nachspiel von anderthalbjähriger Dauer. Nicht allzu wenige hatten sich in einem Keller einquartiert, zufällig war es ein Weinkeller. Sie entwickelten hier einen Rodensteiner Durst und hatten bis zum nächsten Morgen einige tausend Mark ver…trunken wie Scheffel singt und das Zahlen vergessen.

 

V. Bewegungskrieg

(19.08. – 02.09.1914)

Der 19.08. war ein blendend schöner Tag. Die Bataillone standen seit den Morgenstunden bei Kestenholz und Scherweiler. Da erschien unerwartet von Schlettstadt her der Anfang der bayerischen Ersatzdivision von Benzino, sie war beauftragt, durchs Lebertal gegen Markirch vorzustoßen. L. 3 bekam den Befehl, den Vormarsch der bayerischen Ersatzdivision in einer rechten Flanke durch Stellungnahme bei Gereuth zu decken. Am Mittag zog das Regiment über seine gestrige Kampfstätte und die der 30. Reserve-Division. Reihenweise lagen die toten Franzosen noch in ihrer Schütztenstellung. I. und II./L. 3 nehmen bei Gereuth Stellung, III./L. 3 bei der Sägemühle von Thannweiler. Bald kam von allen Seiten die Meldung, dass die französischen Konserven ausgezeichnet schmeckten. Nachmittags begann durch die Ortsbewohner das Sammeln der Waffen Gefallener, die nach Schlettstadt verbracht wurden. Wagenweise wurden die französischen Leichen an das Massengrab bei Gereuth herangefahren. Hier ist noch eines Ereignisses zu gedenken, weil einige Versprengte der 12. Kompanie daran teilgenommen haben. In der Nacht nach dem Gereuther Gefecht hatten Teile der 30. Reserve-Division Unterkunft bei St. Moritz an der Straße Thannweiler – Weiler. In St. Moritz fielen nachts einige Schüsse. Es wurde Verrat festgestellt und die Häuser an der Straße Thannweiler – Triembach, aus denen geschossen worden war, angezündet. Von Gereuth aus sah man am 19. die Trümmerstätten rauchen. Thannweiler hätte fast das gleiche Los getroffen, hier stellte sich aber heraus, dass beim Entladen mehrere Leute, der Handgriffe nicht mehr ganz sicher, versehentlich den Abzug berührt hatten.

I. und II. nächtigten bei Gereuth, III. bei Thannweiler.

Am 20.08. fand eine Feldmesse hart vor Thannweiler statt. Zu gleicher Stunde senkte III./L. 3 die Toten des Regiments oben am Waldrand in die kühle Erde.

Mittags rief ein Befehl das Regiment nach Kestenholz zurück und einige Stunden später bezog es Ortsunterkunft in Schlettstadt. Von der bayerischen Ersatzdivision, zu deren Flankenschutz wir nach Gereuth geschoben worden waren, erfuhren wir nur, dass d´sie bei Markirch ins Gefecht getreten sei; ihre Verbindung nach rückwärts über Leberau hielt sie für sehr gefährdet. Dies erwies sich als unrichtig und bedufte dieser Punkt einer besonderen Beobachtung durch die 2. Landwehr-Brigade nicht mehr. Schon am Abend des 20.08. munkelte man von großen feindlichen Kavalleriemassen.

Am 21.08. wurde um die Mittagszeit III./L. 3 nach Schönau befohlen, es hatte dortselbst den Brückenschutz gegen französische Reiterei aus Richtung Colmar zu übernehmen.

Am 23.08. wurde von I. und II. Bataillon ams Ausbau der Stellungen bei Schlettstadt gearbeitet.

Der 24.08. rief um die 6. Morgenstunde das Regiment durch Alarm unter die Gewehre. Es rückte nach Urschenheim, um im Verein mit dem anderen Regiment der Brigade, der verstärkten 1. bayerischen Landwehr-Brigade und einer Truppenabteilung aus Neubreisach dem Feind  ein Überschreiten der Ill zu verwehren. Die Rücksicht auf vereinfachte Befehlsgebung führte dazu, die zwei gemischten bayerischen Landwehrbrigaden bis auf weiteres (bis 30.09.1914) in eine Division unter Kommando des Führers der 1. bayerischen Landwehr-Brigade zu vereinen. Die 2. Landwehr-Brigade hat später davon Nachteil gehabt; denn am 01.20. sollte sie herausgezogen werden und nach Belgien kommen. Da es sich gerade bequem machen ließ, nahm die verstärkte 1. Brigade diese Aufgabe für sich in Anspruch und so ist es gekommen, dass L. 3 keinen anderen Kriegsschauplatz als die Vogesen kennengelernt hat.

Vor den Toren von Jebsheim wurde abgekocht. Die Truppe hatte schon viel gelernt. Mit großer Überlegung war von jedem Bataillon ein Feldküchenersatz geschaffen worden, denn die Landwehr war mit diesen Fahrzeugen nicht ausgerüstet. Waschkessel der verschiedensten Größen mit Beiwagen für Heizstoffe wurden fahrbar gemacht und schufen Zufriedenheit. Das Christkind 1914 brachte der Landwehr die Feldküche und der Waschkessel wurde pensioniert. Es war aber noch nicht die richtige, sondern die einspännige, sogenannte russische; die wahre, echte, traf erst Ende April 1915 ein.

Am 24.08. abends hatte sich die Lage schon wieder geändert. Die Ill-Verteidigung wurde aufgegeben; das Regiment kam mit zwei Bataillonen nach Markolsheim, wo eine zweitägige Ruhe eintrat.

Am 27.08. erfolgte eine Verschiebung des Regiments hinter die Linie Ostheim – Schoppenweier – Exerzierplatz Colmar. Schoppenweier ist ein wunderschönes Schloss, dessen Besitzer, ein französischer General, sich bei Ausbruch des Krieges sofort seiner Regierung zur Verfügung gestellt hatte. Während des Friedens war das Schloss zur Jagdzeit Sammelpunkt zahlreicher französischer Offiziere, die hier, wie sie sagten, nur Entenschießen betrieben.

In diesen und den folgenden Tagen waren wir über den Verbleib des Gegners vor unserer Front schlecht unterrichtet. Schuld daran trug das ausgedehnte Rebgelände, das sich kilometerlang erstreckte und die Kräfte der sich durchzwängenden Streifen vor der Zeit erschöpfte.

Am 28.08. um 3 Uhr vormittags stiller Alarm und Vormarsch von II. und III. über Rathaus nach Ostheim. I./L. 3 bleiben in Hausen.

Um 8.30 Uhr vormittags Vormarsch auf Seiten- und Weinbergswegen über Schützenhaus und Bennweier. I./L. 3 stößt wieder zum Regiment. Die Artillerie geht in Stellung auf der Sigolsheimer Höhe und nimmt Feuer auf gegen Katzenthal, von Colmar her beschießt die 1. Landwehr-Brigade Ingersheim. Das Regiment stellt sich östlich des Weißbachs zum Angriff gegen Katzenthal bereit. II./L. 3 rechts, I./L. 3 links der Straße, III./L. 3 rechts rückwärts gestaffelt.

Zur Durchführung des Angriffs kommt es nicht. Der Boden, auf dem damals die Brigade stund, führt einen besonderen Namen, er heißt das Lügenfeld, denn hier hatten die drei Enkel Karl des Großen ihren Vetter Ludwig den Frommen verraten und gefangen genommen.

Um 6 Uhr abends wurden die Bataillone wieder zusammengezogen und rückten I. und III. nach Ostheim, II. nach Hausen. Der Gegner hatte sich in der Linie Ammerschweier – Ingersheim nicht zu erkennen gegeben.

Am Nachmittag des 29.08. wurden die Unterkünfte etwas nach vorwärts geschoben und zwar nach Mittelweier und Bennweier.

Der 30.08. führt das Regiment nach Ingersheim, das vom letzten Gefecht manche Wunde trug. Hier galt es, das Morschweier Tal, das von Drei Ähren herablief, zu sperren. II. Bataillon bekam den Höhenrücken, Dorfburg genannt, zugewiesen, I. Bataillon die Letzenburg links der Straße nach Niedermorschweier. Beide Bataillone hatten ihre Stellungen mit allem Nachdruck zu verstärken. I./L. 3 konnte hier an Schützengraben anknüpfen, die schon einige Tage vorher vom bayerischen Landwehr-Infanterie-Regiment 1 ausgehoben worden waren. Das III. Bataillon kam nach Niedermorschweier und hatte mit je einem Zug Galz, Drei Ähren und Buchenthalkopf (südwestlich Drei Ähren) besetzt.

Drei Ähren ist ein Hotel erster Güte gewesen, der Treffpunkt sämtlicher Franzosen jenseits der Grenze. Um Drei Ähren herum lagen die Villen reicher Colmarer, darunter auch die des Franzosenfreundes und Bürgermeisters Blumenthal. Galz war ein bekannter Aussichtspunkt über die Berge und das Rheintal.

Der Tag ging über den Ausbau der Schützenstellung dahin, der am folgenden Tag fortgesetzt wurde. Die Nacht wurde durch einen Alarm unterbrochen. Ein betrunkener Fußer bekam in der Nacht Jagdgelüste. Sein Wild war ein Hund, den er zur Strecke bringen wollte. Im Augenblick krachte es von allen Seiten. Die Baggage machte sich abfahrfertig. Durch diesen besoffenen Streich waren Ortsunterkunft und die Stellung unnötig alarmiert, denn die Annahme, eine französische Streife treibe sich herum, war nicht von der Hand zu weisen.

Der Franzose, der nach seiner Schlappe, die er sich durch die 1. Landwehr-Brigade bei Ingersheim geholt hatte, weit über Drei Ähren zurückgegangen war, bekam am 31.08. wieder Mut zum Vorwärtsfühlen. Jedoch am 01.09. wurde es renst.

Um 3 Uhr nachmittags trat eine veränderte Kräfteaufstellung ein. Das Regiment wurde durch das 1. bayerische Landwehr-Regiment abgelöst und hatte sich sofort im Brigadeverband nach Ammerschweier in Marsch zu setzen. Im Schloss Kinzenheim, dem späteren Divisionssitz, fand Befehlsausgabe statt. Demnach sollte am 02.09. ein großer Schlag geführt werden: Die Franzosen sind bei Lachapelle (Schreibfehler: gemeint ist Labaroche) zu Deutsch Zell, festgestellt; sie werden umfassend angegriffen. L. 1 greift ihre rechte Flanke von Drei Ähren aus an, L. 12 geht durchs Kaysersbergtal vor und umfasst die linke Flanke, L. 3 gewinnt den Gratberg und stößt von dort aus gegen Zell hinab. L. 3 blieb aus diesem Befehl heraus in Ammerschweier in Ortsunterkunft schickte zur Sicherung gegen Zell I./L. 3 nach Bruderhaus.

Über den Gesundheitszustand der letzten Wochen ist nur zu sagen, dass er ganz ausgezeichnet war. Heftige Darmerkrankungen beim I. Bataillon auf der Letzenburg stehen im ursächlichen Zusammenhang mit der Angriffsentwicklung am 28.09. gegen Katzenthal; hier war das Bataillon verdammt, zwei Stunden lang entwickelt in einem Weinberg zu liegen, dessen Trauben noch nicht reif waren.

 

VI. Zell

(02.09.1914)

Während der Nacht sandte die Gefechtsleitung nochmals einen Offizier nach Ammerschweier, der betonen sollte, dass der Angriff des Regiments unbedingt über den Grat, eine bewaldete Granitkuppe von 885 Metern Höhe geführt werden müsse.

Um 8 Uhr vormittags des 02.09. sollte der beiderseits umfassende Angriff beginnen, der, wie gleich vorausgeschickt werden möge, bei der Ausdehnung des Gefechtsfeldes, der Schwäche der Truppe und bei dem zerrissenen Gelände in drei Einzelhandlungen zerfiel, die zeitlich gar nicht zusammen in Einklang kamen.

Das Regiment brach 5 Uhr vormittags mit seinen zwei Bataillonen von Ammerschweier auf, um sich bei Bruderhaus mit dem Vorpostenbataillon (I. Bataillon) zu vereinigen. In Voraussicht der Bergsteigerei hatten sich die Bataillone mit Eselkarren versehen, um das Gepäck nachzufahren. Leider war keine geeignete Führung für die Karren vorhanden, so dass diese wegesperrend und hilflos herumstanden. Von Bruderhaus ging es auf steilen Wegen hinauf bis zu dem Sträßchen Kaysersberg – Henzell. Von da musste dann weglos der Grat erklommen werden. Es war ein saueres Stück Arbeit. Trotz aller Vorsicht und Umschau nach feindlichen Baumschützen, die von Hinterrücks die Kolonnen mit Feuer anzupacken pflegten, gelang es doch einem solchen, in die emporklimmende Masse zu schießen. Er wurde bald heruntergeholt. Die Schießerei in Mitten der Bataillone, an der Spitze das II./L. 3, hatte aber doch Störung und Unruhe erzeugt und nur zu leicht entfesselt solche Unruhe ein ziel- und regelloses Feuer, das niemand anderen gefährdet als den Nachbarn und Bruder. Auf dem Gipfel des Gratbergs fanden später hinaus die hier Gefallenen – Freund und Feind – ein gemeinsames Grab. Auch jenseits des Grathanges erscholl Feuer; hier waren in Phimaroche die Flankensicherungen auf Alpenjäger gestoßen, die Bald das Feld räumten.

Statt um 8 Uhr, wie der Befehl gelautet, stieg das vorderste Bataillon erste 10 Uhr den Hang hinab, zu dessen Füßen sich die Fläche von Zell ausdehnt. Ein mörderisches Feuer schlug vom Grund herauf gegen die Schützen los. Gottlob ging das Meiste zu hoch, eine französische Eselbatterie vervollständigte das Konzert, auch Maschinengewehre schlugen sich dazu, die am Anfang des Krieges ein auffalend langsames Tack-Tack machten gegenüber unseren schweren, leistungsfähigen Maschinengewehren. Ein solches hätte die feindliche Batterie, die 1.200 Meter vor dem Wald auf den Höhen von Faîte zu erkennen war, bald verstummen gemacht. So konnte es sich die Batterie erlauben, den Waldrand ganz treffsicher Meter für Meter abzutupfen. Dies zwang die Schützen vom Waldrand auf die halbe Höhe zurückzunehmen. Die feindliche Überlegenheit wurde bald dadurch aufgehoben, dass aus Richtung Drei Ähren unsere schwere Batterie flankierend eingriff. Mit ihren ersten Schüssen meinte sie es sehr gut, hätte aber um ein Haar uns erwischt.

Die Stunden verrannen, die vordere Linie lichtete sich und musste ergänzt werden. III./L. 3 stand nicht zur verfügung, es hatte die Lücke zwischen dem Regiment und der Gefechtsgruppe Drei Ähren zu sperren. Das Schwesterregiment, L. 12, war, wie abends um 6 Uhr der Regimentsführer persönlich mitteilte, als der Anschluss hergestellt war, bei Eschelmer oder wie es auf vielen Karten heißt, bei Hachimette auf den Feind gestoßen und hatte den Bahnhof gestürmt. Die Straße Eschelmer – Urbeis kam für das Regiment zum Vorgehen nicht in Frage, es musste sich auf dem sehr schlechten Weg über Phimaroche heranarbeiten.

Der Gefechtslärm verstummte mehr und mehr. Verbindung mit der Brigade war seit der frühesten Morgenstunde nicht emrh vorhanden; auf jeden Verwundeten trafen mindestens zwei Träger, die selten den Weg wieder zurückfanden. Aufklärer stießen auf verlassene feindliche Stellungen, an anderen Punkten wurden sie angeschossen.

Die dringenden Rufe von Drei Ähren um Verstärkung, die schließlich dazu führten, dass das III. Bataillon dorthin verschoben wurde, ließ glauben, dass dort die Gefechtslage noch schwieriger sei; so brach der Abend herein, die Kompanien blieben in ihren Stellungen.

Sicher war es für das Regiment ein ehrenvolles Gefecht, seine Aufgabe hatte es erfüllt, den Gegner anzupacken und festzuhalten bis die Umfassungen wirksam wurden. Eine andere Frage ist, ob es unbedingt nötig war, das ganze Regiment über den Gratberg anzusetzen, hier haben die Mitteilungen des Offiziers, der die Gegend von früheren Gefechten kannte, verwirrend gewirkt. Ein Bataillon Gratberg, ein Bataillon rittlings des Wegs, der von halber Grathöhe gegen Henzell führt, wäre wirkungsvoller gewesen. Auf dem Gratberg stand alles mit verbundenen Augen. Was hier geleistet werden musste, wäre eine würdige Aufgabe für Jägerbataillone gewesen.

Am Morgen des 03.09. wurden die Toten zusammengelegt. Gefallen war Leutnant Raab (Leutnant Karl Raab, 7. Kompanie, geboren am 15.08.1885 in Magdeburg, gefallen am 02.09.1914 bei Zell-Chapelle bei Lararoche, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in einem Massengrab), der zur Verstärkung der Schützenlinie befohlen, seinem Zug weit voraussprang, ihn durch sein Beispiel emporriss, aber seine Tapferkeit mit seinem Leben besiegeln musste. Von den Baumschützen erschossen war Vizefeldwebel Hosp. 31 Mann legen stumm nebeneinander gereiht. Für die Ehre des Vaterlands hat sie der Tod gefällt. In zwei Massengräbern fanden sie die ewige Ruhe. Die einen hoch oben auf dem Gratberghügel, die anderen am Waldrand angesichts von Zell. Verwundet wurde der Kompanieführer Oberleutnant Müller Wilhelm und Leutnant Kieferling, dazu 92 Unteroffiziere und Mann; als vermisst sind sieben Mann aufgeführt.

Da die Verbindung mit den höheren Dienststellen abgerissen war, fehlte ein Überblick über die Gesamtlage. Das Landwehr-Regiment 2, das bei Drei Ähren gefochten hatte, schlug die Richtung gegen den Großen und Kleinen Hohnack ein, das Landwehr-Regiment 3 setzte sich über Faîte in Vormarsch auf die große Straße nach Tannach.nAus Richtung Urbeis ist starker Kanonendonner hörber. Der Divisionsbefehl, der um 9 Uhr vormittags in Colmar ausgegeben worden war, kam um 3 Uhr nachmittags in die Hände des Regiments; er gab Aufklärungspunkte an, die von Ortskundigen stammten, aber auf den schlecht gedruckten Kriegskarte 1:100.000 mit dem besten Willen nicht zu finden waren. Die Division befahl die 2. Landwehr-Brigade nach Urbeis, die Brigade gab die Ergänzung, zunächst aufzuklären und nicht über Tannach vorzurücken. Für die Nacht war das Bild wie folgt: I./L. 3 bei Tannach, II. und III. im Biwak bei Chêne. Soweit man von Seiten des Regiments die Lage nach dem Gefecht beurteilen konnte, sind erhebliche feindliche Kräfte am 02.09. abends durch Urbeis Richtung Schwarzer und Weißer See auf ihre ausgebaute Hauptstellung am Grenzkamm zurückgegangen; eine Kräftegruppe hat sich auf dem Eichenrain eingenistet. Aus den vielen später dort aufgefundenen Konservenbüchsen kann man schließen, dass sie dort längere Zeit verweilt, das heißt eine Nachhutstellung eingenommen hat.

Die vollwärtigsten französischen Truppen, die Alpenjäger, wie aus Toten und Gefangenen festgestellt werden konnte, waren den beiden Landwehrbrigaden im heißen Ringen gegenübergestanden.

VII. Kämpfe im Urbeistal

(04. und 05.09.1914)

Für den 04.09. traf folgender Brigadebefehl ein:

„1. Feind im allgemeinen gegen die Vogesenpässe zurückgegangen.

2. Der bayerische Landwehr-Division war vom stellvertretenden XIV. Kommandeur für heute (03.09.) schärfstes Nachdrängen befohlen. Diese Aufgabe besteht auch für morgen. Die von Géradmer nach Norden in Marsch befindlichen Kräfte müssen zum Stehen gebracht werden.

3. Es ist beabsichtigt, mit der Masse der Infanterie morgen die Grenze bei Hotel Weißer See zu überschreiten.

4. – – –

5. 2. Landwehr-Brigade überschreitet morgen 10 Uhr vormittags in mehreren Kolonnen mit Hauptkräften der Infanterie den Vogesenkamm bei Hotel Weißer See, sie gewinnt dann die Straße, die von Diedolshausen nach Plainfaing führt; hält der Feind das Engnis von Diedolsheim noch besetzt, so ist er von Westen her anzugreifen und das Engnis für Kolonne Ferling zu öffnen.

6. Kolonne Hübner trifft über Pairis – Weißer See 1 Uhr nachmittags bei Hotel Weißer See ein. Steht der Feind am Vogesenkamm, so unterstützt sie mit schwerer Artillerie von Oberhütten her die 2. Brigade.

7. L. 12 durchschreitet mit einem Bataillon 6 Uhr vormittags Urbeis und geht über den Sattel zwischen Buchenkopf und Immerlinsköpfe (Pres du bois). Aufgabe: Das Vorgehen der Hauptkolonne über Weißer See zu erleichtern. Ein Bataillon sammelt 8 Uhr vormittags zur Verfügung des Oberstleutnant Jordan bei Kirche Urbeis.

8. 3. Landwehr-Regiment mit Batterie und Pionier-Kompanie durchschreitet 7 Uhr vormittags Urbeis und marschiert über Pairis nach Hotel Weißer See. Nach Erreichen des Weißen Sees handeln nach Ziffer 5. Meldungen nach Urbeis.“

Um 7.30 Uhr vormittags durchschritt der Anfang des Regiments Urbeis. Die Bewohner strömten gerade aus der Kirche und eilten nach Hause, um Tor und Tür und Fensterladen zu schließen.

Halbwegs zwischen Urbeis und Pairis wurde der Feind im Vormarsch auf Pairis gemeldet. I. Bataillon wurde auf die Geishofhöhe befohlen, III. Bataillon auf die Höhe von Vers Pairis. Das II. Bataillon sollte als Reserve in zweiter Linie bleiben, fand sich aber auch sehr bald bei Geishof ein. Von der Kolonne Hübner dröhnt starker Gefechtslärm herüber. Von dem Bataillon L. 12, das gegen Buchenkopf und südlich vorzugehen hatte, hörte man nichts und konnte zu ihm infolge des schwierigen Geländes keine Verbindung finden. Bei Tiercom zeigten sich Rothosen, die Batterie fuhr neben der Marschstraße auf und nahm sie unter Feuer; bald flammte auch eine Ferme auf. In der Freude, endlich zum Schuss zu kommen, tat die Batterie des Guten etwas zu viel, was sich durch Munitionsmangel am Nachmittag schwer fühlbar machte.

Von den Geishöfen schoben sich I. und II./L. 3 nach vorwärts an den Machielles Wald. III./L. 3 wechselte unter heftigem Schrapnellfeuer auf die nördlichen Straßenhänge und nahm Stellung am Machielles Wald, Front gegen Pairis. Vom Mittag ab streute der Feind mit zahlreicher leichter Artillerie, sogenannten Eselbatterien die Straßen und Mulden ab, ein Geschütz unserer Batterie wurde dabei erledigt; ihre Talstellung war vom Feinde erkannt und daher musste sie zeitweise ihr Feuer gänzlich einstellen. Die versprochene Hilfe der schweren Artillerie von der Kolonne Hübner konnte nicht eintreten, da diese selbst mit starken feindlichen Kräften in schwerem Kampfe lag. Die Verbindung mit der Brigade wurde durch den Regimentsadjutanten aufgenommen, dem dieser Weg wohl heute noch in böser Erinnerung sein wird. Durch den Mangel an Artillerie hatte sich dder Angriff totgelaufen. Abends, kurz vor Einbruch der Dämmerung, bliesen von allen Seiten die französischen Rückzugssignale. Es waren französische Mätzchen, um unvorsichtig zu machen und unsere Aufstellung zu verraten, was denn immer mit überraschendem Artilleriefeuer feindlicherseits belohnt wurde. Hier kamen sie nicht auf ihre Kosten.

Das Regiment verbrachte die Nacht im Wald von Machielles.

Um 5 Uhr morgens am 05.09. traf der Befehl ein: Das Regiment geht sofort über Urbeis zurück. Ein Bataillon besetzt die Höhe nördlich von Urbeis beim Grand Faudé, ein Bataillon die Höhe südlich von Urbeis, den Ausläufer des Eichenrains, mit zwei Bataillonen einschließlich eines Bataillons des Landwehr 12 die Höhe östlich Tannach. Die vorgeschobenen Bataillone bei Grand Faudé und Eichenrain haben so lange zu bleiben, bis die Kolonne Hübner sich nach Diedolshausen verschoben hat.

Die Freigabe des Eichenrains, die noch dazu aus Missverständnis zu früh geschah, hat sich bitter gerächt.

Um 2 Uhr kam der Befehl, dass zur Unterstützung des Angriffes auf Diedolshausen je eine Kompanie nach dem Nachielles-Wald  und nach dem Schwarzberg vorzuschieben sei. Durch lebhafte Streifen beider Kompanien sollte der Eindruck eines geplanten Angriffs hervorgerufen werden. Der vorzeitige Wegzug vom Eichenrain hatte dem Gegner die Bahn frei gemacht, er schob sich unbemerkt vor und als die beiden Kompanien ihren Zielen zustrebten, wurden sie mit kräftigem Feuer überfallen, besonders die 4. Kompanie, die nach Machielles bestimmt war, litt stark. Gefallen: Oberleutnant Keller (Oberleutnant Heinrich Keller, gefallen am 05.09.1914, begraben auf dem Soldatenfriedhof Hohrod in Block 2, Grab 479), 7 Mann, verwundet 30, vermisst zwei Mann.

Das Regiment blieb mit zwei Bataillonen für die Nacht in Urbeis, um ein Nachrücken des Gegners aufzuhalten.

Damit war das Regiment in seinem Abschnitt gelandet, den es für die nächsten vier Jahre zu halten hatte.

 

VIII. Kämpfe vom III./L. 3 am Roßberg

(06. mit 09.09.1914)

Das III. Bataillon war am 05.09. nachmittags als Reserve des Brigade-Kommandeurs nach Eschelmer befohlen. Das Bataillon hatte nur drei Kompanien, denn die 11. Kompanie stand noch in Schönau als Bewachung der Brückenkopfstellung. Die Nacht vom 06. und 07.09. verbrachte das Bataillon bei Cochardi, um am nächsten Morgen zur Division Ferling überzutreten.

Am 07.09. morgens steht das Bataillon auf der Höhe 950 nördlich Diedolshausen und deckt den Angriff, welchen III./L. 12 und das württembergische I./L. 120 gegen Roßberg, Kuppe 1.126, ausführen. Der Angriff wird blutig abgeschlagen; da der Feind nicht folgt, können sich unter dem Schutz von III./L. 3 die zurückgegangenen beiden Bataillone wieder ordnen.

Es wurde versucht, die mangelnde artilleristische Vorbereitung durch lebhaftes Feuer während der Abendstunden nachzuholen. Am folgenden Morgen sollten Offiziersstreifen die nähere Aufklärung für den Ansatz des Angriffs bringen.

Der nächste Angriff auf den Roßberg lag in den Händen des Oberstleutnant Flessa und zwar hatte III./L. 3 von Norden, II./R. 70 von Osten her den Roßberg am Nachmittag wegzunehmen. ½ Bataillon folgte als Reserve; ursprünglich war es ½ I./L. 120, das aber sehr bald den Befehl erhielt, zum Einkleiden in Feldgrau nach Leberau abzurücken; an seine Stelle trat ½ III./L. 12.

Da berechtigte Zweifel entstanden, ob sich ein Angriff um 4 Uhr nachmittags noch durchführen ließe, kam bald der Befehl, die Angriffsbewegung nicht weiter durchzuführen, der Angriff werde morgen, am 09.09. mit verstärkten Kräften erfolgen.

Am 09.09. wurden 5 ½ Bataillone zum Angriff angesetzt. Der Gedanke, den Roßberg von zwei Seiten her anzupacken, blieb aufrecht erhalten. Die Nordgruppe führt Oberstleutnant Flessa. III./L. 3 rechts, III./L. 12 links gehen mit ihren inneren Flügeln den Grenzkamm entlang, Front nach Südwest. I./ und II./R. 70 greifen ihn von Osten hern an. ½ Bataillon/ R. 60 folgt hinter dem rechten Flügel der Nordgruppe, I./L. 120 Hauptreserve bei Côte de St. Marie.

Um 9.45 Uhr waren die Bereitstellungen eingenommen. Eine halbe Stunde später treten die beiden rechten Flügelbataillone an. Die Ostgruppe folgt mit einem Zeitabstand von 20 Minuten. Die Artillerie bleibt mit ihrem Feuer bis 10.15 Uhr auf dem Roßberg liegen. III./L. 3 wird außerdem beauftragt, die Verbindung mit der bayerischen Ersatzdivision von Benzino aufzunehmen, deren linker Flügel im weiteren Veraluf auch festgestellt wurde. Der Weg des Bataillons führte über das Gefechtsfeld früherer Tage. Die französischen Schützengräben waren wohl angelegt und gut ausgebaut, die Leichen, meist Alpenjäger, lagen noch unbeerdigt herum. Die lockeren Schützenlinien erreichten um 3.30 Uhr nachmittags die Nähe des Roßbergs. Man glaubte schon, ihn unbesetzt zu finden, da sich keine Streife sehen, kein Kommando hören ließ und man die Wirkung unserer Artillerie an den Waldungen um den Roßberg sah. Plötzlich setzte jedoch ein starkes Stufenfeuer ein, der Feind war vorzüglich eingenistet und damit der Sicht völlig entzogen, vielfach arbeitete er noch mit Salven. Da der Feind überflügelte, wurde das Reserve-Halbbataillon eingesetzt. Eine Erleichterung der Lage durch das Vorgehen der Ostgruppe blieb aus, da diese durch Feuer vom Col du Bonhomme zum Stehen kam. Oberstleutnant Flessa ließ, so gut es ging, seine zwei Bataillone an Ort und Stelle einrichten, das Halbbataillon R. 60 war ausgeschieden, um zur Ersatzdivision zurückzukehren; es wurde durch eine Kompanie des III./L. 3 ersetzt, die am linken Flügel herausgezogen und nach rechts verschoben wurde. Für 10.09. im Morgengrauen war ein Bajonettangriff von Oberstleutnant Flessa geplant.

Während der Nacht ging ein Gewitter von seltener Heftigkeit nieder. Die Wasser schossen in Gießbächen die Steilhänge herab. Freund und Feind machten keinen Versuch, sich zu stören.

Um 5.30 Uhr früh des 10.09. stand alles nach dem gestrigen Befehl mit aufgepflanztem Seitengewehr bereit, um loszustürmen, da traf der Divisionsbefehl ein: Der Sturmangriff unterbleibt, die Bataillone rücken in ihre Ausgangsstellung vom 09.09. Demgemäß besetzte III./L. 3 wieder Höhe 950 nördlich Diedolshausen.

Gegen Mitternacht wurde das Bataillon aus dem Bereich der Division Ferling entlassen und hatte sofort den Rückmarsch zu seinem Regiment anzutreten, woselbst es um 4 Uhr vormittags in Urbeis eintraf. Der 9. Kompanie wurde Urbeis Süd, der 12. Kompanie Urbeis Fabrik zugewiesen, die 10. Kompanie belegte Tannach und die 11. Kompanie wurde durch Draht zum Bataillon befohlen. An die Stelle des Bataillons auf Höhe 950 war III./L. 12 getreten.

Wir wollen hier den Gang der Gefechtshandlung einen Augenblick unterbrechen und einen Blick auf das Elsass werfen, um Land und Leute, die uns vier Jahre lang beherbergten, verstehen zu lernen.

IX. Land und Leute im Elsass

Wer vom Münsterplatz in Breisach über den Rhein hinweg, der zu seinen Füßen rauscht, gegen Westen blickt, vor dessen Augen dehnt sich eine langgestreckte bewaldete Gebirgslandschaft, die Vogesen. Dieser Name allein schon bekundet unsere Einstellung allem Fremden gegenüber. Ursprünglich trugen die Waldberge den Namen Wasgenwald und der ganze Landstrich hieß Wasgau. Der Franzose fand im deutschen dreißigjährigen Religionskrieg Anlass, sich in innere deutsche Angelegenheiten zu mischen und sich dafür mit dem Raub von Elsass, dem Wasgau, bezahlt zu machen. Dem Wasgenwald gab er den Namen Vosges und seitdem heißen wir den deutschen Gebirgszug, uraltes allemannisches Heimatland, die Vogesen.

Im Inneren der Waldberge sieht es etwas anders aus; die Sonnenhänge tragen statt der Wälder grüne Matten und sind bestreut mit zahlreichen Einzelgehöften, den Fermen, deren Bewohner in der Hauptsache von Viehwirtschaft leben. Je höher hinauf, desto gesuchter der Käse. Dieser bildet die Hauptausfuhr und trägt auch außerhalb des Münstertals den Namen Münsterkäse. Der Käseumsatz ist bedeutend, betrug er doch im kleinen Urbeis im Jahresdurchschnitt 2 Millionen Mark.

Die Fermen sind den Vogesenkämpfern noch allen in guter Erinnerung. Unter einem First ist alles vereinigt, Wohnhaus, Stall und Scheuer. Die Steilheit der Hänge verbietet das billige Heranschaffen von Baustoffen, daher sind die Häuser klein, besonders am Stall wird gespart, mit aufgebundenen Schwänzen stehen die Kühe Flanke bei Flanke, diese Misswirtschaft macht sie alle tuberkulös. Es ist ein gedrungener Schlag; schwere kurzbeinige Ochsen ziehen auf steilen gerölligen Wegen stetigen Schritts ihre Last in die Scheune. Lange Steinmauern von unterschiedlicher Höhe laufen den Gehöftgrenzen entlang, sie sind aus den Steinen aufgetürmt, die aus dem Boden herausgearbeitet wurden. Stellenweise ließen sich aber die Granitbrocken nicht bei Seite schieben, sie bilden dann ganze Geröllfelder, im Frühjahr übersät von einem Meer gelber Ginsterblüten. Den einsamen Posten auf Bergeshöhen grüßt vom Schwarzwald herüber der Feldberg, in der Sonne glitzernde Schneeberge des Berner Oberlands begrenzen die Sicht nach Süden und nach Westen streift sein Blick durch Kammlücken hindurch nach Frankreich.

In den Thälern herrschte rege Betriebsamkeit, besonders Seidenspinnerei und Holzgeschäft. Vornehmlich erstere wurde stark betrieben bis in die Rheinebene hinaus. In den Dörfern und kleinen Städten zwischen Bergen und Rhein blüht als dritter bedeutender Erwerbszweig: Weinbau und Weinhandel. Die niedrigen Anhöhen am Fuß des Gebirgs tragen durchgehends den Rebstock. Den meisten Vogesenkämpfern war der Elsässerwein unbekannt, getrunken werden ihn wohl schon viele haben und zwar als Moselwein in irgend einer Aufmachung.

Die Bewohner kamen nicht entgegen, waren aber auch nicht ablehnend. Natürlich gab es viele Franzosenköpfe, besonders in der Fabrikbevölkerung. Die Fermeninhaber hatten selbst nichts, sie waren nicht Besitzer, sondern nur Pächter von einem Herrn in der Stadt und waren dankbar für ein Stück Komiss. Alle hatten sie einen selbstgebrannten Kirsch, stellenweise von gefährlicher Güte. Kritisch wars, wenn der alte ausgegangen war und der neugebrannte an die Reihe kam. Mancher unvorsichtige Landwehrmann hat hier seinen Schluck Kirsch nicht mit einem Rausch, sondern mit einer Art Vergiftung über Gebühr büßen müssen.

Blauäugig und blondhaarig balgte sich die Jugend mehr als halbnackt vor den Hütten und zeugte durch ihr Aussehen von der urdeutschen Abstammung. Wenige Jahre, dann kam auch für sie die harte Zeit, wo sie den kleinen steinigen Acker vor dem Haus besorgen musste. Dazu gehörte es, im Herbst korbweise die Erde, welche der Regen talabwärts an die untere Begrenzung geschwemmt hatte, wieder heraufzuschaffen.

Selten schön ist das Elsass mit seinen schweigenden Wäldern und blumigen Matten, mit seinen Felshalden, die ausschauen wie ein Schlachtfeld, auf dem sich Riesen mit Felsstücken beworfen haben; am schönsten offenbart es sich aber im Mai, wenn das Auge von irgend einer Kuppe herunterschaut auf das Meer von Kirschblüten, oder im Herbst, wenn die Sonne das welke Laub zum Glühen bringt.

Ganz Deutschland ist schuld daran, dass sich die Bewohner nicht offener uns anschlossen. Wer kannte das uralte deutsche Land? Von rechts des Rheins sehr wenige, die nicht aus unmittelbarer Nachbarschaft kamen; einsame Wanderer, Spinner und Sinner, die die sagenumwogenen Burgen des Wasgenwalds von Angesicht schauen wollten, einsame Generalstäbler, die am Grenzkamm den Kriegsfall erwoben. Diese hatten es dahin gebracht, dass man der Vogesenverteidigung ein besseres Augenmerk zuwandte. Auf dem Kampfplatz des Regiments, in der Gegend von Faite, sollte eine weittragende Geschützstellung auf Grund einer Übung angelegt werden. Zum Unheil verzögerte sich der Ausbau.

Dagegen rasselten an jedem Sonntag von Gérardmer die französischen Kraftwagen heran durch die Schlucht nach Münster und Drei Ähren, über den Schwarzen und Weißen See nach Urbeis, von St. Die, zu Deutsch St. Didel über Diedolshausen ins Kaysersbergtal, so genannt nach den Staufenkaisern Barbarossa und Friedrich II., von deren Burg noch ein Turm das Städtchen Kaysersberg zu seinen Füßen grüßt. Weinwirtschaften bevölkerten sich und jedes deutsche Wort erstarb.

Frankreich ging noch einen Schritt weiter; es basoldete manche Fabrik, damit diese französisch sprechende Arbeiter einstelle und ihnen zur Nacheiferung höheren Lohn gäbe.

Und kurz vor dem Krieg, da wurde die Bevölkerung aufgepeitscht, an den Anschlagsäulen zu Colmar konnte man Anschläge lesen, die Deutschland höhnten, Gestalten wie der berüchtigte Hansi Walz (Jean-Jacques Waltz)
zogen im Kraftwagen von Ort zu Ort. Die Saat eines Abbé Wetterle und Blumenthal ging auf. Die Verwaltung in Colmar musste nach Ausbruch des Krieges die Hälfte ihrer Kanzleibeamten entlassen, weil sie Französlinge waren.

Versetzen wir uns nochmals auf den Breisacher Münsterplatz und denken an das Jahr 1916. Aus der üppig grünen Waldwand heben sich zwei braune Flecken heraus, der Buchenkopf und das Schratzmännele, hier hat sich Tod und Verderben nicht nur über die Menschen, sondern auch über die Natur ergossen. Zwischen diesen zwei bösen Flecken war die Stellung des Regiments.

 

X. Stellungskrieg bis Ende September 1915

Jeder War des Glaubens, das Stocken bei Urbeis oder bei Orbey, wie es die Franzosen hießen, sei nur vorübergehend, bald werde wieder die freie Luft des Bewegungskriegs wehen. Niemand legte daher großen Nachdruck auf den Ausbau der Stellung, eine klare Verteidigungslinie unter Abwägen der Vor- und Nachteile und unter Bestimmung der Anschlusspunkte wurde nicht festgelegt. Jedes Bataillon richtete sich in den ersten Tagen der Unbeweglichkeit nach eigenem Gutdünken ein; ernster wurde die Sache erst, als sich die Folgen der Marneschlacht auch bis in die Vogesen hinein auswirkten. Man trat dann an den planmäßigen Stellungsbau heran und suchte die Bataillonsstellungen miteinander zu verbinden. Dadurch entstand im Lauf desd Herbstes und im kommenden Frühjahr eine zusammenhängende Linie.

Wie sehr aber in den Landwehrleuten der Geist steckte: „Heran an den Feind!“, das zeigte der Drang zu den Streifen. Tag für Tag krachte es draußen im Vorgelände, manche Streife wurde versprengt, ein oder der andere Mann fiel oder kam verwundet heim, immer wieder waren Freiwillige draußen, die dem Feind schwer Abbruch taten; bis hinein zum Weißen See ging ihr Gang und ein höherer französischer Artillerieoffizier, der sich vor dem Hotel am Weißen See erging und Anweisungen gab, brach plötzlich durch einen deutschen Flintenschuss dahingestreckt zusammen.

Die Rothosen verschwanden immer mehr und wurden durch Alpenjägerbataillone ersetzt, vorm Regiment wurde der Reihe nach Nr. 11, 12, 52 festgestellt. Mit ihren frechen Tellermützen machten sie einen verwogenen Eindruck, doch wussten sie zur richtigen Zeit ihrem Wagemut mehrere Quentchen Vorsicht beizumischen. Wie sehr Frankreich vom Krieg „überrascht“ wurde, davon zeugt ein Alpenjägerpass. Der Inhaber ist Ende Mai von Grenoble abmarschiert. Ein Rasttag teilte die Woche, die übrigen fünf Tage wurde marschiert, immer im Gebirge bis das Bataillon Mitte Juli in den Vogesen in seinem kommenden Kampfgebiet stand. Die Marschtafel war in den Pass genau eingetragen.

Ein Missstand machte sich zum Nachteil des Regiments, wie wohl überall auf der ganzen Vogesenlinie fühlbar. Die Schrecken des Kriegs waren nicht so furchtbar und auch viel zu überrasc hend hereingebrochen, als dass alles geflüchtet wäre. Haus und Hof waren besetzt geblieben und die Bewohner konnten nicht einsehen, warum sie an den Tagen, wo sich nur Streifen auf entlegenen Fermen und Waldstücken herumdschossen, nicht wieder ruhig ihrem Tagwerk nachgehen sollten, auch wenn der Weg über die Postenlinie hinausführte. Das Verbot nütze wenig. Wer hinaus wollte, wusste anfänglich hinreichend Wege, um durchzuschlüpfen; letzten Endes hatte er das Verbot nicht verstanden, weil es nicht so elsässisch war, wie er es brauchte. Die Franzosen waren daher ausgezeichnet unterrichtet, nach wenigen Tagen besaßen sie die namentliche Stellenbesetzung. Den Wachraum musste man bald um eine Strohhütte vergrößern als Herberge für eingebrachte Besucher des Zwischengeländes.

Am 14.09. trafen die ersten Ersatzmannschaften mit mehreren Offizieren ein: Oberstleutnant Distler übernimmt die Führung des II. Bataillons, Hauptmann Wenig tritt zu seiner 6. Kompanie zurück, Oberleutnant Kreißelmeyer wird Führer der 7. Kompanie, Oberleutnant Lang wird beim I. Bataillon, Leutnant Schmitt beim II. Bataillon eingeteilt; II. Bataillon bekam 7 Unteroffiziere, 104 Mann, III. Bataillon Offiziersstellvertreter Berchtold, 105 Mann. Der ergänzungstrupp war kriegserfahren, denn er hatte schon wacker kämpfen müssen; darüber die nächsten Seiten, die den Bericht des Mitkämpfers Oberleutnant Berchthold bringen.

Der erste Ersatztransport für das Landwehr-Regiment 3 in stärke von einem Stabsoffizier (Oberstleutnant Distler), ein Kompanieführer (Oberleutnant Kreißelmeyer), ein Offizierstellvertreter, mehrere Unteroffiziere und etwa 250 Mann ging am 03.09. nachmittags 2.34 Uhr von Neuulm ab. Dem Transport schlossen sich bis Straßburg Ersatzmannschaften für Landwehr-Regiment 12, Reserve-Regiment 15 und Reserve-Regiment 3 an. Jeder dieser Transporte war etwa 250 Mann stark. Transportführer war Oberleutnant Kreißelmeyer. Der Transport ging von Neuulm über Sigmaringen, Villingen, über die bekannte Schwarzwaldbahn bis Bengenbach. Dort fand die Abgabe von Frühstück aus der dortigen Kriegsverpflegungsanstalt statt. Der Rhein wurde am 04.09. um 9.30 Uhr passiert und Straßburg 9.40 Uhr vormittags erreicht. Hier traf der Befehl ein, dass der Transport, so wie er sei, sofort nach Schlettstadt beordert werden müsse. Eintreffen Schlettstadt 11 Uhr vormittags. Dort weiterer Befehl, sofort nach Bahnhof Markirch, Ankunft dort 2.30 Uhr nachmittags. Die Ersatzmannschaften wurden sofort je nach Regimentszugehörigkeit zu Kompanien formiert und ein kriegsstarkes Bataillon zusammengestellt. Das Bataillon hatte weder Reit- noch Zugpferde, weder Bagage noch einen Arzt. Ein einziger Sanitätsunteroffizier (Wintergerst aus Probstried) war neben einigen Krankenträgern das ganze Sanitätspersonal. Kein Mann hatte ein Soldbuch oder Erkennungsmarke. Das ganze Gepäck (Koffer der Offiziere und Militärpapiere) mussten wegen Mangel an Fahrzeugen am Bahnhof Markirch liegen bleiben.

Hier wurde bekannt, dass wir der Division Benzino (bayerische Ersatz-Division) zugeteilt seien und in eiligem Marsche nachrücken sollten.

Der Marsch nach dem Col de St. Marie-Markirch-Pass – war für die Landwehrleute sehr beschwerlich, da diese zum großen Teil an Marschübungen nicht gewohnt waren. Hier sahen die Leute auf der Passhöhe den ersten Kanonendonner. Die beiden Zollhäuser (deutsches und französisches), sowie Grenzpfähle waren demoliert. Eine Feldwache des landwehr-Infanterie-Regiments 80 begrüßte das Bataillon auf der Passhöhe. Sie teilte uns mit, dass noch mindestens zwei Kompanien französischer Alpenjäger hinter unserer Linie in den Bergwäldern versteckt seien. Wald und Passhöhe zeigten starke Spuren der vorausgegangenen Erstürmung durch das bayerische Reserve.Regiment 15 und des stattgefundenen Kampfes. Weggeworfenes Gepäck, Gewehre und umgestürzte Fahrzeuge, verendete Pferde usw. wiesen den Rückzugsweg des Feindes. Das erste französische Dorf Wisembach war von französischen und deutschen vollständig ausrequiriert. Bei Belupaire (3 Kilometer westlich Wisembach) erwartete ein Generalstabsoffizier das Bataillon und gab Befehl, die Nacht vom 04./05.09. nach allen Seiten, besonders nach rückwärts, zu sichern, da rückwärts noch versprengte französische Alpenjäger seien. Am 05.09. hatte das Bataillon die Deckung des Divisionsstabes zu übernehmen. Franzosen bomardierten das 1 ½ Kilometer südlich Belupaire gelegene Dorf Laveline. Verpflegung hatte das Bataillon keine. Am 06.09. früh 5 Uhr rückte das Bataillon mit dem Divisionsstab nach dem etwa 5 Kilometer südlich in einem Seitentale gelegene La Croix und marschierte somit in die Kampffront ein. Hier sah das Bataillon erste Gefangene. Während das Bataillon Artillerie- und Divisionsstabbedeckung übernahm, erhielt der erste Zug der Kompanie Kreißelmeyer Befehl, sämtliche männliche Einwohner von La Croix und den umliegenden Fermen wegen Sognalabgabe und Spionagegefahr gefangen zu nehmen und in der Fabrik La Croix einzusperren. Unter Ausstellung der nötigen Wachen nächtigte das Bataillon in der Baumwollspinnerei La Croix. Verpflegung am 06.09.1914 eiserner Bestand.

Am 07.09. Artilleriebedeckung für Fußartillerie-Regiment 20 von Straßburg. Stärkster Artilleriekampf. Nachtquartier wie am 06.09. Am 08.09. vormittags wurde das Bataillon durch Generalleutnant von Benzino begrüßt und belobigt und erhielt Befehl, ein Scheinmanöver zu machen, das heißt dem Feind eine Menge Reserven vorzutäuschen.

Zu diesem Zwecke marschierte das Bataillon vormittags 11 Uhr hinter die Höhen 697, 3 Kilometer südwestlich La Croix. Hier denhnten die 12 Züge 10 Schritt Abstand aus und liefen dann mit 200 Schritt Abstand über die vom Feinde vollständig eingesehene unbewaldete Berkuppe in allgemeiner Richtung westlich Hang der Höhe 643 nach dem Bergwalde von Mandray westlich Le Chipa. Als erster Zug – Führer Offiziersstellvertreter Berchtold – die Kuppe 697 überschritt, setzte aus allgemeiner Richtung Fraize – Plainfaing ein ungeheuer starkes Schrapnell- und Granatfeuer der Franzosen auf das Bataillon ein, dem beim weiteren Vorrücken aus den vorliegenden Höhen Maschinengewehr- und Gewehrfeuer folgte. Im ganzen wurden hierbei vier Mann leicht verwundet, die vom Sanitätsunteroffizier Wintergerst betreut wurden und beim Bataillon verblieben.

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